Finanzentwicklung der Kommunen in der Corona-Krise frühzeitig in den Blick nehmen
Für die Kommunen und die kommunale Daseinsvorsorge ist die derzeitige Situation insgesamt belastend – sowohl personell und organisatorisch als auch finanziell. Dabei geht es nicht nur um direkte Mehrausgaben der Kommunen allein im Sozialbereich in Höhe von geschätzt über zwei Milliarden Euro, wie sie sich aus den Ende März beschlossenen Hilfsmaßnahmen ergeben. Kommunen, die kommunale Krankenhäuser oder Pflegeeinrichtungen betreiben, werden zusätzliche Belastungen entstehen. Hinzukommen Mindereinnahmen – nicht nur durch wegfallende Eintrittspreise und Einnahmen kommunaler Unternehmen, sondern vor allem bei der Einkommens-, Umsatz- und Gewerbesteuer durch die Sofortmaßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Nach Schätzungen des Deutschen Landkreistages besteht resultierend aus Mehrausgaben und Mindereinnahmen akuter Finanzbedarf in Höhe von rund 11,5 Milliarden Euro bundesweit für die Kommunen, nachdem der Überschuss aus dem vergangenen Jahr in Höhe von 4,5 Milliarden Euro vollständig aufgebraucht ist. Und dabei sprechen wir bei der Finanzsituation über den Durchschnitt und nicht über die schon bisher finanziell stark unter Druck stehenden Kommunen in NRW, Rheinland-Pfalz oder im Saarland.
Absehbar werden im Mai in den Kommunen die großen finanziellen Probleme deutlich werden, wenn wegfallende Gewerbesteuereinnahmen erhebliche Liquiditätsengpässe zutage treten lassen. Gerade kleinere Kommunen haben in ihren Haushaltssatzungen zurückhaltende Vorgaben zur Inanspruchnahme von Kassenkrediten beschlossen. Diese sind absehbar gezwungen, zur Liquiditätssicherung kurzfristig einen Nachtragshaushalt zu beschließen, was zu weiterer Unruhe in den Kommunen führen wird – zusätzlich zu der vor Ort durch die Corona-Pandemie ohnehin teilweise angespannten Lage. Die Finanz- und Haushaltspolitiker in den Ländern sollten zusammen mit den Finanzministern hier schnell kreativ werden, um eine solche Situation zu verhindern. Die Liquidität muss ohne aufwendige Nachtragshaushalte erhalten bleiben.
Es darf nicht passieren, dass Fehlbeträge in den kommunalen Kassen am Ende in Krediten landen, deren Kosten durch eine fortgesetzte Schließung kommunaler Angebote eingespart werden müssen oder durch höhere Kommunal-Steuern (Grundsteuer / Gewerbesteuer) auszugleichen sein werden. Letzteres würde zu einer verzögerten Nachbelastung auch derjenigen führen, die mit den im März beschlossenen Maßnahmen unterstützt werden sollen.
Von besonderer Bedeutung ist, den Kommunen frühzeitig zu signalisieren, dass die mit der Corona-Pandemie verbundenen Mindereinnahmen und Mehrausgaben durch mittelfristig zu beschließende Maßnahmen ausgeglichen werden sollen. Hier sind Bund und Länder gleichermaßen gefordert. Der Bund muss im Rahmen der Konnexität eine Kompensation der aus den Sofortmaßnahmen zu erwartenden Mehrausgaben in Höhe von über zwei Milliarden Euro im Sozialbereich vornehmen. Denkbar ist zudem, wegbrechende Steuereinnahmen über eine vorübergehende höhere Beteiligung der Kommunen an den Gesamteinnahmen aus der Umsatzsteuer zu kompensieren – verteilt nach der Anzahl der Einwohner.
In ersten Ländern sind erste richtige und wichtige Schritte zum Umgang mit den kommunalen Finanzfolgen eingeleitet worden. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalens hat am 31. März 2020 die Erarbeitung eines „Kommunalschutz-Pakets“ beschlossen, mit dem kurzfristig die Liquidität der Kommunen gesichert und gleichzeitig bisherige Bemühungen zur Haushaltskonsolidierung gestärkt werden sollen. Sachsen-Anhalt hat Vorgaben zur kurzfristigen Verbesserung der Liquidität durch vereinfachte Verfahren bei der Aufnahme von Kassenkrediten herausgegeben. Die Konsolidierung nach Ende der Pandemielage obliegt dabei jedoch den Kommunen. Das Land Rheinland-Pfalz hat angekündigt, den Kommunen 25 Euro pro Einwohner als Soforthilfe zu überweisen. Das wird voraussichtlich nicht reichen, ist aber zumindest ein Ansatz, der jetzt von allen Beteiligten konsequent weiterverfolgt werden muss.
Das Ziel muss sein, möglichst alle Beteiligten mit möglichst geringen Folgeschäden durch die Corona-Pandemie zu bekommen. Seitens der Kommunen bedeutet dies, nach den Sofortmaßnahmen in den Bund-Länder-Beratungen auch die Auswirkungen der Pandemie auf die kommunale Finanzlage in den Blick zu nehmen und einer sachgerechten tragfähigen Lösung zuzuführen.
Im zweiten Schritt wird es nach Aufhebung der Kontakteinschränkungen und dem Reset unseres wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens darum gehen, mit welchen konjunkturellen Impulsen die öffentliche Hand den Neustart unterstützen kann. Erst nach Ende der Einschränkungen wird das Ausmaß und der Bedarf erkennbar sein. Hier können die Kommunen dann ein wichtiger Impulsgeber durch öffentliche Investitionen werden. Diese werden sie in der derzeitigen Situation jedoch nicht ansatzweise allein initiieren können, so dass dann die Stunde der Investitionsprogramme auch zur Stärkung der kommunalen Investitionsmöglichkeiten kommen wird.
Wichtig ist, solche Förderprogramme auch mit entsprechenden Erleichterungen im Vergabebereich zu kombinieren. Die Corona-Pandemie und daraus resultierende Einschränkungen führen nicht nur aktuell zu einem Erliegen des intereuropäischen Reiseverkehrs. Es ist kaum zu erwarten, dass sich die Lage nach Aufhebung beschränkender Maßnahmen schnell wieder normalisieren wird. Insofern macht es in der aktuellen Situation durchaus Sinn, dass auch bei größeren Investitionen auf europaweite Ausschreibungen verzichtet werden kann. Eine Diskriminierung europäischer Unternehmen, die sich dann nicht an der Ausschreibung beteiligen können, dürfte nicht gegeben sein – denn ausführen könnten diese Unternehmen die Aufträge in der aktuellen Situation aufgrund der bestehenden Beschränkungen ohnehin nicht. Für die Kommunen würde eine Lockerung des Vergaberechts zu einer deutlichen Vereinfachung des Vergabeverfahrens beitragen. So können die Kommunen mit vereinfachten regionalen Ausschreibungen weiterarbeiten und zudem auch unsere Wirtschaft unterstützen – so wie es auch bei den Konjunkturprogrammen zur Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise der Fall gewesen ist. Neben vergaberechtlichen Regelungen sollten auch planungsrechtliche Aspekte reformiert werden – auch mit Blick auf Verbandsklagerechte, bei denen sichergestellt werden sollte, dass diese die angestrebten konjunkturellen Wirkungen nicht abwürgen. Die Krise ist auch eine Chance, bürokratische Fesseln zu lösen.
Die Kommunen und die kommunale Daseinsvorsorge bewähren sich wie schon in der Vergangenheit in dieser Krise. Sie sind die Stabilitätsanker, auf die sich die Menschen verlassen können. (Ober-)Bürgermeister und Landräte, Verwaltungsmitarbeiter, Rettungs- und Hilfsdienste und viele Ehrenamtliche machen einen tollen Job vor Ort. Wir haben handlungsfähige Kommunen und kommunale Unternehmen, die am Gemeinwohl orientiert sind. Es ist gut, dass wir an einer starken kommunalen Selbstverwaltung festgehalten haben - auch gegen manche Privatisierungstendenzen. Diese starke kommunale Selbstverwaltung gilt es nun, sicher durch die Pandemie zu bringen.