Frühstück am Abend

Reiner Perau sorgte für überraschende Einblicke. [Foto: Anna Petra Thomas]Reiner Perau sorgte für überraschende Einblicke. [Foto: Anna Petra Thomas]

Spannende Einblicke in die Zukunft der Ukraine

Es war eine spannende und oft überraschende Diskussion bei diesem „Politischen Frühstück“. Dabei war diese Veranstaltung des „Politischen Frühstück“ schon an sich etwas Besonderes: Es fand ausnahmsweise einmal abends statt.

Der Grund: Unser Gast kam direkt aus Kyjiw (Kiew). Denn Reiner Perau ist Geschäftsführer der Deutsch-Ukrainischen Industrie- und Handelskammer – und in dieser Funktion viel unterwegs. So war es ein Glück, dass Schatzmeister Christoph Kaminski Reiner Perau, mit dem er gemeinsam die Schulbank auf dem Geilenkirchener Gymnasium gedrückt hatte, für einen Vortrag bei unserem CDU-Kreisverband gewinnen konnte.

Die Deutsch-Ukrainische Industrie- und Handelskammer, die Reiner Perau leitet, wurde 2016 gegründet und ist Teil eines weltweiten Netzwerks von 150 Auslandshandelskammern der Deutschen Wirtschaft ist. Überall, wo Deutschland Außenhandel unterhält, fördert das Bundesministerium für Wirtschaft diese bilateralen Handelskammern.

Bevor Perau einen Blick in die Zukunft wagte, erinnerte er an die Vorgeschichte des brutalen Angriffs Russlands: der Euromaidan 2014, wo die ukrainische Zivilgesellschaft den Putin-hörigen Präsidenten Wiktor Janukowytsch aus dem Amt jagte („einer der korruptesten Politiker, die jemals regiert haben“, so Perau), die Besetzung der Krim, der Beginn des Krieges im Donbass. Worum es Russland gehe, sei zu „verhindern, dass es eine russischsprachige Demokratie gibt“, erklärte er. Denn bekanntermaßen ist die Ukraine ein Land mit zwei Sprachen und viele ihrer Bewohner zweisprachig: Russisch und Ukrainisch. Jetzt verändert sich das. Vor dem Großangriff am 24. Februar 2022 war Kyjiw eine russischsprachige Stadt. Als Zeichen des Widerstands sprechen ihre Einwohner seitdem Ukrainisch und haben das Russische aufgegeben. Zugleich führen sie – für viele Besucher überraschend – ein Leben wie in jeder Großstadt. „LKWs fahren, Cafés und Restaurants sind voll“, erzählte Perau. Das Leben verlaufe normal, wenigstens tagsüber, denn nachts terrorisiert die russische Armee die Menschen durch fürchterliche Luftangriffe.

Referent Reiner Perau (Mitte) wurde begrüßt vom stellvertretenden Kreisvorsitzenden Dr. Roland Schiefer (links) und Schatzmeister Christoph Kaminski (rechts). [Foto: Anna Petra Thomas]

Teile des Landes sind zerstört. „Die Böden sind extrem verseucht, wo die Russen durch sind“, erläuterte Perau. So schätzt er die Wiederaufbaukosten auf 500 Milliarden bis 1 Billion Euro. Ein 30-jähriges Konjunkturprogramm brauche es wahrscheinlich dafür. Übrigens eine Chance und „starkes Potential“ für die deutsche Wirtschaft, beispielsweise für Umweltdienstleistungen, um diese Böden wieder bewohnbar zu machen. Was nun die Rüstungsindustrie betreffe, liefere die deutsche Wehrtechnik nicht nur wichtige Waffen, sondern könne gleichermaßen von der ukrainischen Industrie lernen, insbesondere bei der Herstellung von Drohnen oder ballistischen Raketen. Um Investitionen deutscher Unternehmen in der Ukraine abzusichern, vergebe der deutsche Staat Investitionsgarantien, führte Perau aus, zugleich können sich Unternehmer gegen Kriegsschäden versichern.

Dieses „Politische Frühstück“ warf ein anderes Schlaglicht auf die Ukraine als die meisten Diskussionen, die man zurzeit über dieses Land führt. Denn die Ukraine dürfen wir nicht alleine als Kriegsopfer betrachten und als politischen Verbündeten wertschätzen, sondern wir sollten sie ebenso als wirtschaftlichen Partner in den Blick nehmen – und zwar auf Augenhöhe, ist sie doch eines der einwohnerstärksten Länder Europas mit großem Potential und wertvollen Ressourcen.